Oberlandesgerichts Hamm: Ehegatte verschwunden – Voraussetzungen für öffentliche Zustellung eines Scheidungsantrags
Was ist, wenn sich eine Ehegatte scheiden lassen will und der Ehegatte nicht auffindbar ist?
In solchen Fällen ist es möglich, den Scheidungsantrag „öffentlich zustellen“ zu lassen. Der Antrag ist dann genauso gültig, als wäre er dem Betroffenen zugestellt worden. Das Scheidungsverfahren kann seinen Gang nehmen, auch ohne den anderen Ehegatten.
Öffentliche Zustellung des Scheidungsantrags
Diese Art der Zustellung ist an Voraussetzungen gebunden. Es reicht nicht aus, dass der Aufenthaltsort dem Ehegatten unbekannt ist. Er muss „allgemein unbekannt“ sein. Dies bedeutet, man muss zunächst Nachforschungen betreiben, um den Aufenthaltsort zu ermitteln. Die Nachfrage bei einigen Freunden und Verwandten reicht nicht aus. Die Gerichte stellen hohe Anforderungen, wie auch das Oberlandesgericht Hamm wieder.
Der Fall
Nach der Trennung ging der russischstämmige Ehemann vermutlich nach Russland zurück. Nach Ablauf des Trennungsjahres wollte sich die in Deutschland lebende Frau scheiden lassen. Um herauszufinden, wo sich ihr Mann aufhielt, fragte sie zwei Verwandte und zwei Nachbarn. Freunde oder einen Arbeitgeber habe er nicht, so die Ehefrau.
Die Entscheidung
Dies reichte dem Gericht nicht. Auch wenn es in Russland kein zentrales Melderegister gebe, hätte die Frau weitere Nachforschungen anstellen müssen. Es seien nicht alle möglichen Erkenntnisquellen erschöpft. So lebe die Mutter des Mannes in Russland. Deren Adresse hätte die Ehefrau über die bereits angesprochene Schwester des Mannes erhalten können.
Das Gericht ging allerdings nicht soweit, von der Frau zu verlangen, einen russischen Anwalt zu beauftragen, auch wenn dieser dann das russische Innenministerium hätte einschalten können.
Wichtig ist immer, dem Gericht gegenüber nachzuweisen, dass man alles Erreichbare versucht hat.
zurückFalsche Unterstellung des sexuellen Missbrauchs
Trennen sich Eltern, kämpfen sie oft gegeneinander. Nur allzu oft steht bei der Auseinandersetzung der Eltern nicht das Kindeswohl im Vordergrund, sondern die Enttäuschung über den anderen Partner. Dies ist zwar verständlich, dennoch sollte man nie vergessen, dass es um gemeinsame Kinder geht. Zudem können falsche Anschuldigungen dazu führen, dass der Anspruch auf Unterhalt entfällt.
Die Eltern trennten sich 1999. Geschieden wurden sie 2002. Unmittelbar nach der Trennung beschuldigte die Mutter den Vater mehrfach des sexuellen Missbrauchs der gemeinsamen Tochter. Ein kinder- und ein familienpsychologisches Gutachten kamen zu dem Ergebnis, dass die Vorwürfe unhaltbar seien. Trotzdem blieb die Mutter bei ihrer Behauptung. So äußerte sie gegenüber der Vermieterin, dem gemeinsamen Sohn und der neuen Lebensgefährtin des Vaters, der Vater sei ein „Kinderschänder“. 2005 wurde gegen die Frau ein Strafverfahren geführt. Dieses wurde gegen Geldzahlung mit der Verpflichtung eingestellt, künftig solche Beschuldigungen zu unterlassen. Dennoch wiederholte sie die Vorwürfe. 2009 stellte der Vater die Zahlungen des nachehelichen Unterhalts an die Frau ein.
Kein Unterhaltsanspruch mehr
Dem Mann sei eine weitere Unterhaltszahlung an die Frau nicht mehr zuzumuten, so das Gericht. Durch ihre falschen Äußerungen habe sie ihren Anspruch vollständig verloren. Die Behauptung, der Mann sei ein „Kinderschänder“, sei geeignet, den Ehemann in der Öffentlichkeit verächtlich zu machen. Dadurch könne er familiär, sozial und beruflich isoliert und seine Existenz zerstört werden. Die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung des Vaters sei derart groß, dass die „Ex“ sich nicht mehr auf eine nacheheliche Solidarität berufen könne. Spätestens nach den Gutachten und dem Strafverfahren gegen sie hätte sie ihre Beschuldigungen unterlassen müssen. Daher liege ein schweres Fehlverhalten der Frau vor. Da alle Kinder bereits volljährig seien, gebe es auch keine Gründe für eine andere Entscheidung.
zurückHat ein Ehepartner ein heimliches Verhältnis, das zur Trennung führt, kann er dadurch seinen Anspruch auf Trennungsunterhalt verlieren.
Kein Unterhalt wegen schwerwiegenden Fehlverhaltens
Das Ehepaar trennte sich im Februar 2011. Die Frau zog zu einem gemeinsamen Freund des Paares.
Das Amtsgericht Oranienburg entschied: Die Frau erhält keinen Unterhalt. Den Verpflichteten – also hier den Ex-Partner – in Anspruch zu nehmen, sei grob unbillig, wenn „dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegenüber dem Verpflichteten zur Last“ falle. Das sei hier der Fall.
Die Richter zeigten sich nach der Beweisaufnahme überzeugt davon, dass die Frau spätestens im September 2010 ein heimliches Verhältnis mit dem Freund des Paares hatte. Dies Verhältnis sei auch ursächlich für das Scheitern der Ehe sowohl der Frau als auch der ihres neuen Partners. Auch aus der Mail vom 28. September lasse sich eindeutig schließen, dass das Verhältnis zwischen den beiden zu diesem Zeitpunkt über ein rein freundschaftliches Verhältnis hinausgegangen sei.
Amtsgericht Oranienburg am 08. Mai 2013 (AZ: 36 F 115/12)
zurückBei einem Trennungsunterhalt, den ein Ehepartner vom anderen verlangen kann wird als Faktor auch berücksichtigt, wie lange beide vor und nach der Trennung gearbeitet haben, ebenso wie der Vergleich der daraus erzielten Einkommen und die Dauer der Ehe.
Verliert ein Unterhaltsberechtigter seine Beschäftigung, hat er eine sogenannte Erwerbsobliegenheit. Er muss also versuchen, eine neue Stelle zu finden. Die Karenzzeit für diese Jobsuche beträgt drei Monate. Nach einer langfristigen Krankschreibung beträgt sie insgesamt fünf Monate.
Das Ehepaar lebte seit Juli 2008 getrennt, bis 2012 arbeiteten beide als Zahnärzte in einer gemeinsamen Praxis. Im April 2012 kündigte der Mann seiner Frau den Vertrag. Danach war diese zunächst bis September 2012 krankgeschrieben. Eine neue Stelle als Schwangerschaftsvertretung in einer Zahnarztpraxis hatte sie seit Ende Juli 2013. Sie verdiente rund 2.300 Euro netto.
Der Mann zahlte Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 2.000 Euro. Die Frau meinte, für die Zeit ab Oktober 2012 ebenfalls Anspruch auf diesen Trennungsunterhalt zu haben. Beim Amtsgericht hatte sie damit Erfolg. Die Beschwerde des Ehemanns dagegen war teilweise erfolgreich.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hatte die Frau aufgrund der mehrjährigen Trennung mittlerweile eine volle Erwerbsobliegenheit. Das bedeutet, sie muss eine Vollzeitstelle haben. Andernfalls würde ihr ein fiktiver Lohn angerechnet.
Wegen des Verlusts ihres Arbeitsplatzes stehe ihr eine Übergangszeit von drei Monaten zu, um eine neue Stelle zu finden. Wegen der längeren Krankschreibung verlängere sich diese Übergangszeit auf fünf Monate. Daher ende die volle Unterhaltspflicht des Mannes im Oktober 2012. Ab dann müssten der Frau – wie später tatsächlich – Einkünfte fiktiv angerechnet werden.
zurückBei sehr guten Einkommensverhältnissen ist der Unterhalt des Verpflichteten konkret zu berechnen. Solche Verhältnisse liegen vor, wenn der Verpflichtete ohne Berücksichtigung seines Wohnvorteils über ein monatliches, bereinigtes Nettoeinkommen von ca. 8.000 Euro verfügt.
Der Tatrichter kann bei der konkreten Bedarfsbemessung den eheangemessenen Unterhaltsbedarf durch die Feststellung der Kosten ermitteln, die für die Aufrechterhaltung des erreichten Lebensstandards erforderlich sind. Bei einer konkreten Unterhaltsbemessung sind alle bisher zur Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards benötigten Lebenshaltungskosten konkret zu ermitteln. Allerdings ist eine überschlägige Darstellung der in den einzelnen Lebensbereichen anfallenden Kosten durch den Bedürftigen ausreichend.
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